Magnetische und magnetostriktive Eigenschaften austenitischer Stähle

Allgemeines
Es ist bekannt, dass magnetische Messungen in hohen Feldern zur physikalischen Phasenanalyse genutzt werden, d. h. zur Bestimmung des (meist) ferromagnetischen Anteils in einem zwei- oder mehrphasigen Werkstoff.
Beispiele sind die Bestimmung

  • der Koerzitivfeldstärke HC und der Sättigungsmagnetisierung JSätt. von Hartmetallen
  • des Restaustenitanteils im 100Cr6-Wälzlagerstahl.

Hier soll über Untersuchungen an austenitischen Stählen berichtet werden.
Austenitische Stähle haben ein kubisch-flächenzentriertes Gitter und sind nicht ferromagnetisch. I. allg. gibt es jedoch magnetische Ferritanteile in der austenitischen Matrix.
Ziel der Untersuchungen war, eine Applikation der untersuchten Werkstoffe in einem Luft-Magnetfeld HLuft zu simulieren und insbesondere evtl. magnetostriktive Längenänderungen zu erfassen.

Für die Messungen wurde ein EPSTEIN-Rahmen eingesetzt, die Magnetostriktion λ = Δl/l0 wurde mit Dehnungsmessstreifen DMS gemessen.
Sie gelten i. allg. nur für Magnetostriktionsmessungen mit Werten λ = Δl/l0 > 1*10-6 = 1ppm geeignet.
In Voruntersuchungen wurden die für die Messaufgaben günstigsten Parameter ermittelt:

  • eine geeignete Ummagnetisierungsfrequenz f im Bereich 5Hz ≤ f ≤ 50Hz
  • Größe des Oversamplings für magnetische und magnetostriktive Messungen.

Festgelegt wurden folgende Messbedingungen:

  • eine Abtastfrequenz f = 100kHz
  • die Feldstärken H = 10.000 – 20.000 – 30.000A/m
  • die Frequenz f = 20Hz
  • ein Oversampling n = 1.024 bzw. 2.048 bei den magnetostriktiven Messungen.

Die Frequenz f = 20Hz wurde gewählt, weil sich wegen der längeren Messdauer bei niedrigeren Frequenzen die Feldwicklung bei der Feldstärke Hmax = 30.000A/m zu stark erwärmte.
Die angegebenen Sampling-Raten waren wegen der Kleinheit der zu erfassenden Messwerte erforderlich.

Ergebnisse der magnetischen Messungen
Bei der Feldstärke Hmax =30kA/m wurden Polarisationswerte Jmax ≤ 0,0036T gemessen.
Im folgenden Diagramm werden als Beispiele Ummagnetisierungsschleifen bei Feldstärken H = 10kA/m und 30kA/m dargestellt.

Wie oben beschrieben wurde, kann der Volumenanteil einer magnetischen Phase in einer nicht magnetischen Matrix mit einem magnetischen Verfahren bestimmt werden. 

Voraussetzungen dafür sind u. a., dass

  • man die magnetische Phase in der Probe bis zur Sättigung JSätt. magnetisiert
  • die Sättigungsmagnetisierung JSätt. dieser Phase bekannt ist.

Aus den Messergebnissen kann unter vereinfachenden Annahmen der Volumenanteil der ferritischen Phase in den untersuchten Proben abgeschätzt werden.
Für die ferromagnetische Phase in einer Probe „1“ wird eine Sättigungsmagnetisierung JSätt. = 1,50T angenommen (abgeschätzt aus der Zusammensetzung).
Weiter wird angenommen, dass der bei der „Feldstärke H = 30.000A/m gemessene Polarisationswert J ≈ JSätt. = 0,0036T die „Sättigungsmagnetisierung“ dieser Probe ist. Der Volumenanteil der magnetischen Phase liegt damit bei (0,0036/1,5) ≈ 0,0024 ≈ 0,24%.
In diesem Volumenanteil der ferritischen Phase stecken als Annahmen

  • ein Wert der Sättigungsmagnetisierung JSätt. = 1,5T
  • das Erreichen dieser Sättigung JSätt. = 1,5T = 1,5Vs/m² bei der Feldstärke H = 30.000A/m.

Ergebnisse der magnetostriktiven Messungen
Vorrangiges Ziel der Untersuchungen war es, einen Einsatz unterschiedlicher austenischer Stähle in einem Luft-Magnetfeld HLuft zu simulieren und evtl. magnetostriktive Längenänderungen λ = Δl/l0 der Probe zumindest halbquantitativ zu erfassen.
Parallel dazu bzw. in Voruntersuchungen wurden die Grenzen des Einsatzes der Dehnungsmessstreifen für Magnetostriktionsmessungen ermittelt.
Nach Abschluss der sehr umfangreichen Messreihen kann festgestellt werden, dass relative Längenänderungen λ = Δl/l0 < 0,1*10-6 = 0,1ppm der Proben sicher reproduzierbar gemessen werden konnten.
Voraussetzung dafür war das in der Einleitung bereits beschriebene Oversampling vieler Einzelmessungen.

In den beiden folgenden Diagrammen werden für 2 unterschiedliche Proben die bekannten λ(J)-Schleifen dargestellt.
Man erkennt bei Feldstärken H ≥ 20.000A/m deutlich die typische „Schmetterlingsform“.

Jede Probe wurde 10x gemessen.
Gemessen wurden λ-Werte

  • λ ≥ 0,04*10-6 = 0,04ppm bei der Feldstärke H = 20kA/m
  • λ ≥ 0,07*10-6 = 0,07ppm bei der Feldstärke H = 30kA/m.

Für die durchschnittliche absolute Abweichung │Δλ│der Einzelmessungen vom Mittelwert λMittel wurden ermittelt

  • < 15% (prozentual) bei der Feldstärke H = 20kA/m
  • < 10% (prozentual) bei der Feldstärke H = 30kA/m.